Ich erwache erneut, wurde geweckt, doch hier gibt es nichts mehr. Kein Baum, keine Wurzeln, kein Wald. Nur Sand und Steine. Aber mir ist dies - natürlich nach wie vor - egal. Beim näheren Betrachten meiner Umgebung sehe ich den kleinen Jungen erneut, doch seine Familie scheint zu fehlen. Ich bin mir nicht sicher, ob er sprechen kann, also gebe ich dem einen Versuch.
Ich erwarte keine Antwort, auch sieht er nicht auf, sieht mich nicht an. Sorgsam nähere ich mich, ich besitze keine Mutterinstinkte, ich kann nur versuchen, ja nur testen, ob das auch so seine Richtigkeit hat. Aber ich glaube zu spüren, dass er das Richtige selbst nicht kennt. Teils apathisch schaut er auf seine Hände, in ihnen sammelt sich Staub, dunkelgrauer, schwerer Staub.Weißt du, wo wir sind?
Wieder versuche ich, mit ihm zu kommunizieren. Dieses Mal hebt er seinen Kopf, ich blicke in seine Augen und sehe, was passiert war, bevor ich erneut erwacht bin. Sein Stamm ist tot, jeder, seine Mutter, sein Vater, seine Geschwister. Sie sind neben ihm gestorben. Dunkle Gestalten fressen Hoffnung, übermittelt er mir. Er wurde nur nicht gefunden, weil er sich gut genug versteckt hatte. Ich wurde nicht gefunden, weil, ja, das kann man sich nun denken. Ich existiere nicht mit Träumen oder Hoffnungen. Das gehört weder zu meinem Charakter, noch zu meinen Zielen. Menschen, denen jegliche Hoffnung genommen wurde, sind also labile Gestalten, die hier nicht überleben. Und was heißt hier? Sie überleben nirgends. Sie sind schwach, weil sie das am wichtigsten Scheinende in ihrem Leben exkludieren mussten. Die finsteren Gestalten ziehen die Hoffnung heraus, übrig bleibt eine leere Hülle, lediglich die Fassade des Menschen, denn mehr bleibt ihm selbst nicht. Binnen Sekunden zerfällt er zu Staub, weil selbst die Fassaden vor lauter Tristheit und fehlender Zuversicht kein Grund sehen, zu existieren. Es gibt nichts, woran sich diese Hüllen klammern könnten, kein Fels in der Brandung, kein Silberstreif am Himmel. Fast, aber nur fast, könnten sie mir leid tun.Weißt du, warum deine Hände so aussehen?
Das ist wieder ein Punkt, an dem ich Menschen nicht verstehe. Wenn für sie keine Hoffnung mehr existiert ist alles verloren. Sie verstehen nicht, dass es weiter geht. Im Todesfall eines Angehörigen scheint sich die Welt nicht weiterzudrehen, sie hängt fest in dem Universum, aber das stimmt nicht. Die Welt interessiert sich keinen feuchten Dreck für das Wohlergehen von kleinen, unnützen Organismen. Es dreht sich alles weiter, ob man will, muss, kann oder nicht, ist nicht weniger sinnfrei als die Existenz.